Alles Homöopathie oder was?
Homöopathie als Heilmethode wird immer populärer. Das ist einerseits eine sehr positive und wünschenswerte Entwicklung, weil sich immer mehr Tierhalter kritischer mit der Behandlung ihrer Tiere beschäftigen und nach Alternativen zu den üblichen schulmedizinischen Möglichkeiten suchen.
Andererseits lässt sich leider auch immer wieder feststellen, dass nicht überall, wo Homöopathie "drauf steht", sich auch Homöopathie darin verbirgt. Der Gedanke "es ist ja homöopathisch und kann schon nicht schaden" ist leider weit verbreitet und fatal. Da alles, was Wirkungen hat, auch unerwünschte "Neben"wirkungen haben kann, ist es wichtig, zu wissen und zu beachten, dass auch homöopathische Mittel Schaden anrichten können, wenn sie nicht nach den Regeln der Kunst verwendet werden.
Schließlich handelt es sich auch hier um Arzneien! Dieser Beitrag soll die Hintergründe und Unterschiede bei Anwendungen homöopathischer Mittel deutlich machen, damit auch die Risiken bestimmter, immer gut gemeinter! Empfehlungen oder Verordnungen klar werden. Um dies auch verständlich und nachvollziehbar zu machen, muss ein wenig ausgeholt werden.
Es gibt zwei Hauptrichtungen bei der Verschreibung homöopathischer Mittel: die eigentliche Homöopathie oder auch klassische Homöopathie und die sogenannte klinische Homöopathie.
Homöopathie wurde von Samuel Hahnemann entwickelt. Er lebte von 1755 bis 1843 und war Arzt und Apotheker. Mit den damaligen Behandlungsmethoden war er jedoch höchst unzufrieden und war enttäuscht von ihrem "barbarischen" Charakter, vor allem aber davon, dass sie letztendlich keine Heilung brachten, sondern teilweise noch eher den Tod. 1790 übersetzte er eine Arzneimittellehre aus dem Englischen und konnte die darin enthaltenen Erklärungen zur Wirkung der Chinarinde bei Wechselfieber nicht nachvollziehen.
Hahnemann kam dabei auf die Idee, die Wirkung einzelner Arzneimittel mit den Symptomen der Krankheiten, zu deren Heilung sie angewendet wurden, zu vergleichen und in Zusammenhang zu bringen. Er entschloss sich, selbst Chinarinde einzunehmen und entwickelte nach kurzer Zeit selbst die Symptome eines Malariafiebers, eines Fiebers, das durch Chinarinde geheilt wird. Sobald er die Einnahme absetzte, verschwanden die Symptome und traten wieder auf, wenn er die Einnahme fortsetzte. Er prüfte noch weitere zahlreiche Substanzen an sich und seiner Familie sowie Freunden. Diese Arzneiprüfungen brachten ihn immer mehr zu der These, dass ein Mittel, das bei gesunden Menschen bestimmte Symptome hervorruft, genau die gleichen Symptome beim Kranken heilt. Somit legte er den Grundstein für das wichtigste homöopathische Prinzip "Similia similibus currentur" "Ähnliches werde durch Ähnliches geheilt".
Es dauerte noch einige Jahre bis er die Theorie der Homöopathie aus diesen Experimenten formulierte. Sein Hauptwerk, das Organon der Heilkunst, in dem er Theorie und Praxis der Homöopathie zusammenfasste, wurde 1810 veröffentlicht.
Klassische Homöopathie, wie sie von Samuel Hahnemann entwickelt wurde, basiert auf folgenden Prinzipien:
· dem Ähnlichkeitsgesetz
· der Arzneimittelprüfung
· der Individualisation
· der Lebenskraft
· der Potenzierung
· der Anwendung von Einzelmitteln in kleinstmöglicher Dosis
Das Ähnlichkeitsprinzip bedeutet, dass das geeignete Arzneimittel jenes ist, das bei Verabreichung an gesunde Personen dieselben Symptome hervorbringt, die es am Kranken heilen soll. Um diese Symptome herauszufinden, wurden und werden so genannte Arzneimittelprüfungen durchgeführt, in denen geringe Dosen eines Stoffes in immer derselben Potenz (s.u.) wiederholt verabreicht werden. Seit Hahnemann hat es zahlreiche Arzneimittelprüfungen gegeben, deren Erkenntnisse in der Materia Medica zusammengefasst werden. Hier finden sich die Arzneimittelbilder, d.h.sämtliche Symptome eines Arzneimittels, die in Prüfungen oder bei Vergiftungen mit der Ausgangssubstanz hervorgerufen wurden.
Homöopathie ist eine Heilmethode, die den Patienten in seiner Ganzheit aus Körper, Geist und Seele erfasst. Daher sind auch Symptome auf all diesen Ebenen von Bedeutung. Primär wird der Patient behandelt, nicht seine Krankheit. Die Krankheitsdiagnose ist nicht so maßgeblich, sondern die Art und Weise, wie der Patient seine Krankheit ausdrückt und durch welche er sich auch von anderen Patienten mit derselben Krankheit unterscheidet. Jeder Patient wird als ein Individuum betrachtet. Diese ist Individualisation massgebend für die Wahl des Arzneimittels.
Im Organon schreibt Hahnemann: `Der materielle Organismus, ohne Lebenskraft gedacht, ist keiner Empfindung, keiner Tätigkeit, keiner Selbsterhaltung fähig; nur das immaterielle, den materiellen Organismus im gesunden und im kranken Zustand belebende Wesen (die Lebenskraft) verleiht ihm alle Empfindung und bewirkt seine Lebensverrichtungen. Dies beschreibt die Fähigkeit des Organismus, sich durch Mobilisierung der ihm innewohnenden Lebensenergie gesund zu erhalten. Diese dynamische Kraft reguliert die Körperfunktionen und übernimmt eine Art "Gegensteuerung" bei Einflüssen von außen. Bei einer Erkrankung findet die erste Störung auf der Ebene der Lebenskraft statt. Die Krankheitssymptome sind Zeichen dieser - wie Hahnemann sagte "verstimmten" Lebenskraft.
Hier unterscheidet sich die Homöopathie auch ganz wesentlich vom schulmedizinischen Vorgehen, wo es vor allem darum geht, Symptome zum Verschwinden zu bringen. Hierfür werden dann häufig Medikamente eingesetzt, deren Wirkung den Symptomen entgegenwirken sollen: Antihistaminika, Antibiotika, Antidepressiva, Antitussiva usw. Mit diesen Arzneien werden die Symptome letztlich unterdrückt und die Störung der Lebenskraft wird sich einen anderen Weg suchen, um sich auszudrücken. In der Regel verlagern sich die Symptome dann auf tiefere und somit ernsthaftere Schichten. Dies lässt sich bei der Aufzeichnung von Krankheitsverläufen immer wieder feststellen. Ein Hautausschlag wird beispielsweise mit Cortison unterdrückt und in der Folgezeit entwickelt der Patient Asthma. Nebenwirkungen schulmedizinischer Medikamente, die auftauchen und in den Beipackzetteln beschrieben werden, sind Zeichen, mit denen die Lebenskraft auf den Einfluß der Medikamente reagiert.
Homöopathische Mittel werden potenziert. Das bedeutet, sie werden verdünnt und verschüttelt oder verrieben und dadurch werden ihre Heilkräfte gewissermaßen freigesetzt. Es gibt verschiedene Potenzierungsarten, die durch folgende Bezeichnungen unterschieden werden:
D-Potenzen sind pro Potenzierungsschritt 10 x verdünnt (1 Teil Urtinktur wird mit 9 Teilen Alkohol verdünnt). Der erste Schritt nennt sich D1, dann D2 und so weiter.
C-Potenzen werden pro Potenzierungsschritt 100 x verdünnt
LM- oder Q-Potenzen werden 1:50 000 verdünnt
Ab der D 24 und der C 12 Potenz kann keine Ausgangssubstanz mehr festgestellt werden, es wirkt nur noch die reine Information/Energie. Viele Substanzen, die ursprünglich giftig sind, können auf diese Weise als Heilmittel genutzt werden. Mittel, die unterhalb dieser Potenzen liegen, werden als Niedrig- oder Tiefpotenzen bezeichnet. Mittel, die darüber liegen, als Hochpotenzen.
In der klassischen Homöopathie nach Hahnemann werden immer nur Einzelmittel in der kleinstmöglichen Dosis verordnet. Vor dem Hintergrund des Ähnlichkeitsgesetzes und der Wirkung auf der dynamischen Ebene ist dies auch logisch. Es geht ja darum, das Arzneimittel zu finden, das dem Zustand des Patienten am nächsten kommt.
Viele Arzneimittel decken zum Beispiel das Symptom "Husten" ab. Sie unterscheiden sich jedoch darin, wie der Husten sich konkret im Einzelfall äußert, z.B. ob er trocken ist oder bellend oder keuchend oder rasselnd oder, ob er nach Anstrengung oder in Ruhe auftritt, morgens oder abends und so weiter. All diese so genannten Modalitäten müssen bei der Wahl des Mittels berücksichtigt werden. Und vor allem auch der psychische Zustand, da es immer auch um die Individualisation und die Ganzheitlichkeit geht.
Homöopathische Arzneien wirken auf die Lebenskraft, daher sollten sie ihr auch in der Qualität ihrer Stärke gleichen. Nicht die Ähnlichkeit in der Menge (der Quantität) ist das Ziel bei der Dosierung, sondern die Ähnlichkeit in der Beschaffenheit (der Qualität) der Energie. Daher ist die Dosis nicht abhängig von Körpergewicht, Größe oder ähnlichem, sondern von der Stärke der Lebenskraft des Patienten, seiner Konstitution.
Um nun das passende Arzneimittel zu finden, das dem Zustand des Patienten auf allen Ebenen entspricht, bedarf es einer gründlichen Anamnese (Erhebung der kompletten Krankengeschichte). Wenn möglich, werden hierzu auch die Krankheitsverläufe der Eltern, Großeltern etc. aufgenommen. Die individuelle Betrachtung eines Patienten beinhaltet auch, ihn in seiner gesamten Persönlichkeit zu verstehen. Das bedeutet, all seine charakteristischen Eigenheiten, wie z.B. Vorlieben/Abneigungen, gehören mit dazu.
Diese umfassende Fallaufnahme braucht dann auch entsprechend viel Zeit, in der Regel 1-2 Stunden bei chronischen Krankheiten.
Neben dieser komplexen Vorgehensweise hat sich bereits zu Hahnemanns Zeiten ein anderes, eher am üblichen Handeln und Denken orientiertes Verfahren zur Verschreibung homöopathischer Arzneien entwickelt. Unter den Leuten, die sich mit Hahnemanns Theorie und seinen Behandlungserfolgen beschäftigten, befanden sich auch damals natürlich Ärzte und Naturwissenschaftler. Einige von ihnen wandelten seine Methode ab und verwarfen viele seiner Prinzipien. Sie lehnten die Verwendung von Hochpotenzen ab und begannen, verschiedene Mittel zu Komplexmitteln zu vermischen, verabreichten mehrere Potenzen auf einmal, wiederholten eine Dosis oft tage- oder wochenlang, ohne sie zu verändern, verschrieben ein Mittel isoliert für ein erkranktes Organ oder aufgrund einer klinischen Diagnose, gaben sogenannte Drainagemittel etc.
Letztendlich handelten sie nicht im Sinne der Homöopathie nach dem Ähnlichkeitsprinzip, sondern verordneten lediglich homöopathische, d.h. potenzierte Arzneien. Auch heute noch ist dieses Vorgehen weit verbreitet. Es spart viel Zeit, da nach sogenannten bewährten Indikationen verordnet wird. Somit ist also keine stundenlange Anamnese nötig, sondern wird nach dem Motto "bei Krankheit xy gibt man Mittel z" vorgegangen, allenfalls noch nach oberflächlichen Eigenheiten differenziert, z.B. ob es der Patient lieber kalt oder warm mag. Und man kann es leicht selbst anwenden, spart also auch noch Geld...
Was ist nun daran so verkehrt?
Zunächst einmal fällt auf, dass es nicht um den Patienten als Ganzes geht. Die ganzheitliche, individuelle Betrachtung, wie sie von Hahnemann als wesentliche Voraussetzung zur Wahl des richtigen Arzneimittels genannt wurde, findet hier nicht statt.
Es wird nur ein Teil betrachtet und dementsprechend wird auch das gewählte Arzneimittel nur einen Teil des Patienten abdecken. Erinnern wir uns: die Lebenskraft steuert den Organismus und verleiht ihm alle Empfindungen. Bei einer Erkrankung ist sie im
Ungleichgewicht. Um wirkliche Heilung zu erlangen, muss die Lebenskraft gestärkt werden.
Wird nun also nur ein Teil davon vom Mittel erreicht, dann bleibt es
letztlich bei einer verstimmten Lebenskraft. Die eigentliche Störung wird nicht behoben, nur
(vorübergehend) unterdrückt. Das ist vom Prinzip genauso, als wenn andere, schulmedizinische Medikamente gegeben würden. Letztendlich wird ein Symptom zum Verschwinden gebracht, die eigentliche Ursache dahinter wird jedoch nicht behandelt. Daher können auch homöopathische Mittel unterdrücken und die Krankheit auf tiefere, lebenswichtigere Ebenen verschieben.
Bei der Verordnung von Komplexmitteln kommt "erschwerend" hinzu, dass gewissermaßen nach dem Schrotschussprinzip vorgegangen wird. In diesen Mischungen sind dann unterschiedliche Mittel enthalten, die nach einem bestimmten Symptom, z.B. Husten, ausgewählt wurden. Unabhängig davon, welche Art von Husten die einzelnen Mittel im Arzneimittelbild zeigen. Betrachtet man die Zusammensetzung dann näher, werden die Auswahlkriterien noch undurchsichtiger, da sich die einzelnen Mittel zum Teil sogar noch in ihrer Wirkung aufheben. Letztlich scheint die Überlegung dahinter zu stehen "eins davon wird schon helfen". Komplexmittel können durchaus wirken. Allerdings gilt hier ebenso, dass es sich meist nur um eine Unterdrückung von Symptomen handelt und nicht um Heilung, da nicht nach dem Ähnlichkeitsprinzip vorgegangen wird.
Werden nun homöopathische Mittel in immer derselben unveränderten Potenz über Tage/Wochen oder gar Monate genommen, dann entspricht dies im Grunde dem Vorgehen einer Arzneimittelprüfung. Das bedeutet, im Laufe der Zeit (je nach Empfindsamkeit früher oder später) können Symptome auftauchen, die nichts mehr mit der eigentlichen Erkrankung zu tun haben, sondern Symptome der Arznei sind. Dem Patienten geht es nicht besser, sondern schlechter, er entwickelt zusätzlich zu den eigenen Beschwerden noch die einer Arzneikrankheit.
Tiefpotenzen wirken, da sie noch die Moleküle der Ausgangssubstanz beinhalten, auf der stofflichen Ebene. Da die Lebenskraft eine dynamische/energetische Kraft ist, wird sie auch am besten durch dynamische/energetische Arzneimittel erreicht. Mit der Verordnung von Tiefpotenzen wird ebenfalls nur eine Ebene des Patienten abgedeckt.
Diese Ausführungen machen hoffentlich deutlich, dass es im Endeffekt nur eine Art von Homöopathie gibt. Alles andere ist nichts weiter als die Verwendung von potenzierten Mitteln. Die Ratgeber zur schnellen und einfachen Selbstbehandlung werden immer zahlreicher und natürlich handeln alle, die sie zu Rate ziehen, in der Absicht, ihrem Tier helfen zu wollen. Kaum jemand ahnt, dass diese Hilfe auch nach hinten losgehen kann.
Es ist auch nicht damit getan, das Mittel zu verabreichen, entscheidend und weitaus schwieriger ist die Beurteilung der Wirkung und des Verlaufs.
Hierzu noch ein Zitat aus einem dieser Ratgeber ("Unsere Katze, gesund durch Homöopathie" von Hans Günter Wolf), das stutzig macht: "Der Arzt" ob für den Menschen oder das Tier, muss sich lange und gründlich mit allen Mitteln vertraut machen, um dadurch letzten Endes rasch herauszufinden, was im jeweiligen Fall passend und hilfreich ist. Sie als Katzenfreund und medizinischer Laie brauchen sich nicht so viel Mühe zu machen.
"Je weniger ich weiss, umso leichter kann ich es mir also machen in der Behandlung meines Tieres"
Eine recht fragwürdige Logik. Schließlich dürfen wir nicht vergessen, dass es um die Heilung von kranken Tieren geht.
© Sabine Loechle
http://www.praxis-fuer-tiere.de/